Verlängerte Bauzeit – zusätzliches Honorar?
Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 06.09.2020 10 U 101/18 über einen Vergütungsanspruch eines Ingenieurs entschieden, der eine Anpassung des vereinbarten Pauschalhonorars wegen verlängerter Bauzeit verlangte. Im Vertrag war keine Vereinbarung über eine bestimmte Bauzeit getroffen.
Das OLG hat dem Anspruch auf zusätzliches Honorar stattgegeben.
Da keine feste Bauzeit vereinbart war, hat das OLG die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, bewertet. Danach seien die Parteien übereinstimmend von einer Sanierung der vertragsgegenständlichen Deponie innerhalb eines Zeitraumes von 9 Monaten ausgegangen. Durch eine notwendige, nicht vorhersehbare Umstellung des Sanierungskonzeptes habe sich der Zeitraum dann auf 21 Monate verlängert. Somit hätten sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, so schwerwiegend geändert, dass es dem Ingenieurbüro entsprechend § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) nicht mehr zumutbar sei, am unveränderten Vertrag festgehalten zu werden.
Die nach Vertragsschluss aufgetretenen Erschwernisse, die zur Verlängerung der Bauzeit geführt hätten, hätten beide Parteien bei Abschluss des Vertrages nicht vorhergesehen. Somit liege eine Störung des Äquivalenzprinzips vor, die nicht allein in den Risikobereich des Ingenieurbüros falle.
Für den Honoraranpassungsanspruch müsse der Ingenieur keinen konkret berechneten Mehraufwand darlegen. Einer solchen Verpflichtung widerspreche bereits der Umstand, dass das Honorar des Ingenieurs grundsätzlich aufwandsneutral gewährt werde ( BGH Urt. v. 27.02.2003 VII ZR 11/02).
Das zusätzliche Honorar wurde nach § 287 ZPO nach folgender Maßgabe geschätzt: Das OLG hat den plausiblen Vortrag des Ingenieurs zugrunde gelegt, wonach dieser sein Honorar auf der Basis einer Bauzeit von 9 Monaten kalkuliert hatte. Entsprechend dieser Kalkulation wurde das auf einen Monat bezogene Honorar ermittelt und die monatliche Kalkulation auf die verlängerte Bauzeit, allerdings unter Abzug eines prozentualen Synergie-Abschlages, fortgeschrieben.
Damit liegt die Entscheidung auf der Linie des Urteils des BGH vom 10.05.2007 VII ZR 288/05, wonach es ausreicht, wenn der Ingenieur vorträgt, welche durch die Bauzeitverzögerungen bedingten Mehraufwendungen er hatte und die er ohne die Bauzeitverzögerung nicht gehabt hätte. Allerdings musste der Kläger in dem Verfahren beim BGH konkret die Mehrkosten belegen.
Eine Abrechnung im Hinblick auf kalkulatorische Ansätze über Personalkosten wurde bisher von den Gerichten nicht akzeptiert.
Bleibt abzuwarten, ob die Berechnung des OLG insoweit ein Umdenken einleitet.
Eine Honoraranpassung nach § 313 BGB setzt allerdings voraus, dass die Verlängerung der Bauzeit nicht durch Behinderungen verursacht wurde, die gegebenenfalls auch dem Ingenieur zuzurechnen sind.
Zudem kann der Auftraggeber gegen den zusätzlichen Honoraranspruch eine Ersparnis von Aufwendungen vortragen, die infolge der Bauzeitverzögerung beim Ingenieur eingetreten ist, z. B. durch eventuelle Baustillstände. Dass der Auftragnehmer durch die Verzögerung möglicherweise ineffizient arbeite, verringere seinen Aufwand, so der BGH, jedoch nicht.
Dr. Dr. Stefanie Theis
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Fachanwältin für Vergaberecht