Vergaben von Ingenieurleistungen im Unterschwellenbereich

Dr.-Ing. Horst Lenz, (Präsident) | Dr.-Ing. Klaus Siekmann, (Vorstandsmitglied) | Dipl.-Ing. (FH) Peter Strokowsky, (Vorstandsmitglied)

Die Vergabepraktiken von Kommunen haben sich zwischenzeitlich für alle Beteiligten zu einem Ärgernis entwickelt. Ursächlich hierfür ist im Wesentlichen die Aufhebung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI aufgrund des EuGH- Urteils vom 04.07.2019.

Dies soll nachfolgend an einem Beispiel verdeutlicht werden: Kommune X plant die Erneuerung eines Dorfplatzes und möchte die Planungsleistungen an ein Ingenieurbüro vergeben. Fachtechnisch ist bei der Verwaltung das Bauamt zuständig. Da eine freihändige Vergabe an das Büro des Vertrauens bereits seit längerer Zeit nicht mehr möglich ist, wird ein Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Zwischenzeitlich haben nahezu alle Kommunen eine Vergabestelle eingerichtet, die mit MitarbeiterInnen besetzt ist, die häufig nicht über die nötige Fachkompetenz verfügen. Darüber hinaus erfolgt vor und im Verlauf des Vergabeverfahrens keine Abstimmung mit der Fachabteilung, um für das Projekt erforderliche Rahmenbedingungen und Anforderungen in das Verfahren einfließen zu lassen.

Im Verfahren sind mindestens drei Ingenieurbüros für die anstehenden Planungsleistungen anzufragen. Die meisten Vergabestellen handeln jedoch nach der Maxime: je mehr Büros angefragt werden, desto günstiger wird letztendlich der Preis!

Was die meisten Vergabestelle nicht wissen: Die HOAI ist nach wie vor verbindliches Preisrecht und zwingend anzuwenden, mit Ausnahme der nach EuGH-Urteil gekippten Mindest- und Höchstsätze.

Viele Anfragen dokumentieren die durchaus nachvollziehbare Unwissenheit der neu eingerichteten Vergabestellen auf eindrucksvolle Art und Weise.

Hierzu einige Beispiele: Die anrechenbaren Kosten werden nicht vorgegeben oder aus mangelndem Wissen falsch berechnet (bedingt/teilweise anrechenbare Kosten), die Honorarzonen werden falsch bzw. überhaupt nicht angegeben. Für die anbietenden Ingenieurbüros wäre es der richtige Weg, juristischen Beistand einzuholen. Die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz hat beispielsweise hierzu die Honorar- und Vergabeinformationsstelle eingerichtet. In den seltensten Fällen wird dieser Weg jedoch beschritten, um das Verhältnis zum Auftraggeber nicht nachhaltig zu belasten.

Letztendlich wählt man den Weg des geringsten Widerstandes, bietet trotz fehlerhafter Anfrage die Ingenieurleistungen an und versucht durch einen möglichst hohen Nachlass bei der Beauftragung berücksichtigt zu werden.

Infolge der fehlenden Fachkompetenz beim Auftraggeber (Entscheidungsträger sind im Allgemeinen Kaufleute und keine Ingenieure) wird in der Regel tatsächlich das billigste Angebot beauftragt. Aus einem Leistungswettbewerb ist ein reiner Preiswettbewerb geworden. Vom Preis abweichende Wertungskriterien werden nur in absoluten Ausnahmefällen bemüht. Der günstigste (billigste?) Bieter ist daher unter Berücksichtigung des Projekterfolgs häufig nicht der mit dem wirtschaftlichsten Angebot.

Die Büros unterbieten sich gegenseitig. Eine Auskömmlichkeit des Angebots wird nicht geprüft. In letzter Konsequenz leidet die Qualität und der Verbraucherschutz ist nicht mehr gewährleistet.

Das heute auf dem Markt übliche Preisdumping richtet die Ingenieurgilde auf Dauer zugrunde. Das in den zurückliegenden Jahren mühsam aufgebaute Vertrauen, auch im Kollegenkreis, ist bereits wenige Monate nach dem EuGH- Urteil erheblich belastet. Ein Vertrauensverlust der Auftraggeber ist unvermeidbar, wenn das Planungsbüro bei jeder noch so kleinen zusätzlichen Leistung einen Nachtrag anmelden muss, um nicht „Geld mitbringen zu müssen“. Darüber hinaus suggeriert man den Auftraggebern, vor dem Wegfall der Mindestsätze „die Taschen vollgemacht zu haben“. Welch ein Trugschluss!

Schade! Ist diese Entwicklung wirklich so gewollt?

Gerade den Ingenieurunternehmen fehlen Fachkräfte. Die Nachwuchsförderung ist zukünftig ein zentrales Thema, um leistungsfähige Ingenieurbüros, auch im ländlichen Raum, erfolgreich betreiben zu können. Dies bedingt allerdings auch eine Gehaltsstruktur, die es jungen Leuten attraktiv erscheinen lässt, in einem Ingenieurunternehmen tätig zu werden. Dies ist bereits heute nicht der Fall. An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Angemessene Gehälter können nur gezahlt werden, wenn die Ingenieurleistungen auch auskömmlich honoriert werden. Hier ist anzusetzen, wenn auch kleine und mittlere Büros im ländlichen Raum überleben sollen.

Die Leistungsqualität und der Verbraucherschutz bleiben unweigerlich auf der Strecke, wenn nicht umgehend eine einheitliche Regelung für die Honorierung von Ingenieurleistungen gefunden wird. Nur auskömmliche Honorare, und hier waren die Mindestsätze der HOAI ein Maß, können den Fortbestand der Ingenieurkultur zukünftig sicherstellen.

Hier ist schnelles Handeln gefordert!

Dr.-Ing. Horst Lenz, Präsident
Dr.-Ing. Klaus Siekmann, Vorstandsmitglied
Dipl.-Ing. (FH) Peter Strokowsky, Vorstandsmitglied  

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