Die Bundesingenieurkammer bezieht Stellung zur Nationalen Wasserstrategie und bietet Kommentierungsmöglichkeit

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Der Entwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zu einer Nationalen Wasserstrategie (NWS) stellt die durch den zunehmenden Klimawandel verschärfte Mengenproblematik an erster Stelle in den Vordergrund. Mit dem Entwurf soll eine Anpassung der Wasserinfrastruktur erfolgen und die Wasserverfügbarkeit vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels sichergestellt werden. Dies ist richtig und wichtig, wobei leider jedoch zu wenig auf die sich erheblich verschlechternde Situation der stark übernutzten Grundwasserkörper zur Versorgung von urbanen Regionen mit Trinkwasser eingegangen wird (Beispiele: Hessisches Ried, Vogelsberg). Dieser Problematik allein naturnahe Maßnahmen zur Rückhaltung sowie die bessere Vernetzung, und damit den Transport von Wasser entgegenzusetzen, greift erheblich zu kurz. Beim Rückhalt von Wasser in der Fläche ist verstärkt erforderlich naturnahe und technische Maßnahmen miteinander zu verbinden. Diese Synergien werden im Falle des Hochwasserschutzes zwar erwähnt, eine naturnahe Gestaltung eines Gewässerlaufes ist im Angesicht der massiven Flächennutzungen jedoch kaum ausreichend, um effektiven Hochwasserschutz herzustellen und trägt auch nur unwesentlich zur Grundwassersicherung oder Vernässung der Auen bei. Dieses Ziel wird in einer stark anthropogen geprägten Kulturlandschaft vielfach nur durch technische Wasserrückhaltung und dann insbesondere in Kombination mit anderen Nutzungen wie Trinkwassergewinnung, Wasserkraftnutzung und gerade auch bei der Kombination von Wasser- und Energiespeichern erreicht. So wird Klimaanpassung und Klimaschutz mit nur einer Maßnahme erreicht und dem Ziel der WRRL Wasser in ausreichender Menge und Qualität für menschliche Nutzungen vorzuhalten entsprochen. Gleichzeitig können Habitate in Oberflächengewässern durch Verstetigung der Abflüsse erhalten und in Auen neu geschaffen werden, die dann auch über längere Dürrephasen hinweg bestehen bleiben.

In dem Entwurf wird zwar auch auf die chemische Belastung der Oberflächengewässer eingegangen. Diese ist aber in ihren Auswirkungen weitaus gravierender als die hier ausführlich behandelte Hydromorphologie. Gerade in Hinblick auf das Makrozoobenthos haben z.B. die ausführlichen Untersuchungen des Citizen-Science-Projektes „FLOW“ der letzten Jahre eindeutig ergeben, dass Hydromorphologie kaum eine Rolle spielt, die chemische Belastung aber eine umso gewaltigere ist. Der einleitende Satz von Kap. II 4 „Die Belastung der Gewässer mit vielen, vom regelmäßigen Monitoring erfassten, anthropogenen Stoffeinträgen ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.“ legt die eigentliche Problematik offen. Wir haben selbst bei den wenigen Stoffen, die einer regelmäßigen Überwachung unterliegen Probleme die vorgeschriebenen Umweltstandards einzuhalten und die weitaus größte Zahl aller Stoffe unterliegt keinerlei Überwachung, obwohl deren zunehmende Existenz aus einer Vielzahl von einzelnen wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt ist. Hierbei handelt es sich um maßgebliche und flächendeckende Verstöße gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie, was nicht nur durch die fehlende regelmäßige Überwachung, sondern durch die ständige Verschlechterung in Menge und Anzahl der eingeleiteten Stoffe besonders deutlich wird. Bewirtschaftungspläne der Länder lassen diese Fakten teils ohne entgegenwirkende Maßnahmen bestehen. Hier ist die dringende Aufrüstung der Kläranlagen mit 4. und auch 5. Klärstufe und die regelmäßige und flächendeckende Erfassung von Spuren- und besonders Wirkstoffen erforderlich. Auch lässt dieser Entwurf konkrete Maßnahmen zur Vermeidung oder auch nur einen Hinweis auf die überfällige und wichtige Anpassung des nationalen Rechtes im Hinblick auf das wesentlich schärfere Unionsrecht vermissen.

Dem Entwurf ist leider auch noch nicht anzumerken, dass mit dem EEG 2023 ein überragendes öffentliches Interesse für die Erzeugung erneuerbarer Energien Gesetzeskraft erlangt hat. Dies wurde auch in Hinblick darauf formuliert, dass die Energiewende eine viel gewaltigere ökologische Wirkung zeigt, als eine Summe hydromorphologischer Einzelmaßnahmen. Besonders deutlich wird dies bei der unsachlichen Diskriminierung der Wasserkraft und insbesondere der dezentralen kleinen Wasserkraft im Zusammenhang mit der linearen Durchgängigkeit, wo doch wissenschaftlich mehrfach klargestellt wurde, das gerade in höher gelegenen Regionen die Durchgängigkeit keine notwendige Bedingung für die Zielerreichung des Guten Zustandes nach WRRL ist  (vgl. Rhithrale fischökologische Zielerfüllung, Gewässerstruktur und Durchgängigkeit, K. Träbing und S. Theobald, WaWi 2/3 2016). Ein ähnliches Resultat ergab sich bei einer Untersuchung, in die alle WRRL-Gewässer Österreichs einbezogen wurden (vgl. Philipp Wallner (2020): The Influence of Migratory Obstacles on the Ecological Status of Water Bodies in Upper-Austria. BOKU Wien).

In der Landwirtschaft existieren viele unangetastete Potentiale, die bisher noch nicht in Betrachtung genommen worden. Unter Berücksichtigung von Maßnahmen mit hohem Effizienzpotential (Automatisierung und Digitalisierung) sowie die Berücksichtigung weiterer wassersparender Ansätze kann die Produktion in der Landwirtschaft auf eine nachhaltige und krisensichere Nahrungsmittelproduktion umgestellt werden und für die bevorstehenden Klimawandelauswirkungen gut vorbereitet werden. Eine Ignorierung der landwirtschaftlichen Bedarfe kann die Funktionalität der Landwirtschaft im Rahmen der nationalen Wasserstrategie nicht gewährleisten. Bei der Aufstellung der Aktionspläne sollte die Landwirtschaft mit konkreten Anpassungen eine angemessene Berücksichtigung finden. Die digitalisierten und automatisierten landwirtschaftlichen Wasserversorgungen über Bewässerungsanlagen sind das beste Mittel um die Ziele für Flächenreduzierungen zum Schutz der Gewässer und Erweiterungen der notwendigen Grundwasserneubildungsflächen zu erreichen. Hierdurch werden die Dünger- und Pflanzenschutzbelastung auch wirksam reduziert.

Die Kommentierungstabelle, in der Sie als Verband Ihre Stellungnahme eintragen können, finden Sie als Word-Dokument hier.

Bundesingenieurkammer e.V., Joachimsthaler Str. 12, 10719 Berlin

Ansprechpartner: RA Markus Balkow, Dipl.-Ing. Ingolf Kluge, Dr. Ronald Steinhoff

eMail: balkow@bingk.de; kluge@ingkh.de, steinhoff@ingkh.de

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