Landtagswahl Rheinland-Pfalz 2021 - Wahlprüfsteine

Am 14. März findet die Wahl des rheinland-pfälzischen Landtags statt. Die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz stellt in diesem Zusammenhang die Politik des Landes auf den Prüfstand. Wir haben die Kernthemen und politischen Erwartungen der rheinland-pfälzischen Ingenieurinnen und Ingenieure als Wahlprüfsteine zusammengetragen. Diese richten sich an die zur Wahl stehenden politischen Parteien des Landes.

Ingenieurinnen und Ingenieure sind die Treiber der Entwicklungen und des Fortschritts in den zentralen Lebensbereichen der Menschen in unserem Bundesland. Nahezu alle Produkte und Prozesse bauen auf Ingenieurleistungen auf. Die Digitalisierung, das Internet der Dinge, Maschinenbau, Elektro und alle am Bau beteiligten Fachrichtungen, sind nur einige Bereiche, in denen Ingenieurinnen und Ingenieure zu den zentralen Akteuren zählen, die Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und Wissenschaft erarbeiten.

Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass eine zukunftsgerichtete Politik, die technologischen Fortschritt, Umwelt und Klima sowie natürliche und gesellschaftliche Ressourcen in den Blick nimmt, auch und gerade in Zusammenarbeit mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren entwickelt wird und auf die Kernherausforderungen des Berufsstandes Antworten hat.

Die Einschätzungen der politischen Parteien zu den Kernherausforderungen der Ingenieurinnen und Ingenieure in den kommenden Jahren, werden wir mit unseren Mitgliedern teilen und diskutieren und in unseren Medien veröffentlichen.

 

Digitalisierung

Rheinland-Pfalz hat eine Vorreiterstellung bei den Entwicklungen im Bereich Building-Information-Modeling (BIM). BIM ist eine digitale Methode zum Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden und Anlagen, die ganze Branchen und Industriezweige revolutioniert. Auf Initiative der Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz wurde im Jahr 2016 das BIM-Cluster des Landes gegründet, in dem heute über 250 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertreten sind. Das Cluster zählt damit zu den größten und umfassendsten Initiativen dieser Art in Deutschland.

Um die positive Entwicklung und das Know-how zum Thema BIM am Standort Rheinland-Pfalz zu sichern, bedarf es nun der finanziellen Förderung durch das Land. Bisher wurden alle Aktivitäten durch die beteiligten Institutionen finanziert. Nun gilt es Wissen und Technologie in die Fläche zu tragen und gerade auch kleine und mittelständische Planungsstrukturen einzubinden. Daneben besteht ein großer Bedarf an weiteren Referenzprojekten im Hoch- und Tiefbau sowie der Infrastrukturentwicklung. Auch das Cluster selbst muss weiter professionalisiert werden. Das Land muss ein vitales Eigeninteresse am Erhalt und Ausbau dieser BIM-Aktivitäten haben. Rheinland-Pfalz kann durch den Einsatz öffentlicher Mittel in besonderem Maß vom Gründergeist der Beteiligten profitieren. Ein finanzielles Engagement des Landes wird sich als Katalysator der bestehenden Strukturen auswirken.

Die Grundlage für diese und andere positive Entwicklungen der Digitalisierung in Rheinland-Pfalz bildet ein flächendeckender Netzausbau, der schnelles Internet auch in den letzten Winkel des Landes bringt, so wie es auch in anderen europäischen Regionen längst selbstverständlich ist.

 

Öffentliche Vergabe

Das System der öffentlichen Vergabe von Aufträgen steht vor gewaltigen Herausforderungen und muss grundlegend reformiert und an die Komplexität der Aufgaben der öffentlichen Auftraggeber in Rheinland-Pfalz angepasst werden. Damit einher muss eine grundlegende Ausbildung der verantwortlichen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gehen, die über Expertenwissen verfügen müssen, um Vergabeverfahren umsetzen zu können.

Ingenieurinnen und Ingenieure kommen insbesondere bei der Vergabe von Planungsaufträgen im Unter- und Oberschwellenbereich am Bau mit dem System der öffentlichen Vergabe in Kontakt. Die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz hat daher eine Honorar- und Vergabeinformationsstelle (HVI) eingerichtet, die bisher kostenlos Auftraggeber und Auftragnehmer bei Unklarheiten zur rechtskonformen Umsetzung von Vergabeverfahren im Baubereich berät. Nicht zuletzt durch die gesammelten Fallbeispiele der HVI wird immer wieder deutlich, dass sofortiger Handlungs- und Regulierungsbedarf bei dem Thema Vergabe besteht. Dort, wo Expertenwissen in der Verwaltung fehlt und keine fachlich gesicherten Bedarfsplanungen als Grundlage für Ausschreibungsverfahren erstellt werden, macht sich der öffentliche Auftraggeber häufig bereits durch die grob mangelhafte Abfrage von Angeboten angreifbar. Kommen dann noch Fragen der EU-Gesetzgebung und Förderung hinzu, die gerade im Oberschwellenbereich häufig von besonderer Bedeutung sind, entstehen schnell rechtliche Auseinandersetzungen.

Als Resultat der Defizite im öffentlichen Ausschreibungswesen, steht häufig nicht mehr das wirtschaftlichste Angebot und das Erzielen einer qualitativ hochwertigen Leistung im Vordergrund, sondern lediglich die Suche nach dem billigsten Anbieter. Das hat im hochkomplexen Baubereich zunehmend teure Folgen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Projekte verzögern sich, aufwändige Nachtragsverfahren und nachträgliche Kostensteigerungen verringern die Planungssicherheit in den Haushalten und letztlich leiden die Qualität und das Ansehen aller Beteiligten.

 

Honorierung

Jeder, der in seinem Leben schon einmal etwas gebaut hat, wird folgende Weisheit verinnerlicht haben: wer billig plant, baut teuer. Warum ist das so? Bauen ist im Spannungsfeld von gesetzlicher Regulierung, der energetischen Anforderungen, der Digitalisierung und vor dem Hintergrund der Fachkräfteknappheit und der großen Anzahl aller Beteiligten eine komplexe Angelegenheit. Jedes Bauwerk ist ein Unikat und soll für eine Zeitspanne von 50 bis 100 Jahren seine Aufgabe erfüllen. Hinzu kommt in der Regel eine Informationsasymmetrie zwischen Bauherren einerseits und Planern und ausführenden Unternehmen andererseits. Vor diesem Hintergrund sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass ein Bauherr größtes Interesse daran hat, Bauingenieurinnen und Bauingenieure als Sachwalter seiner Angelegenheiten zu betrachten und zu beauftragen, um die eigenen Interessen optimal vertreten zu wissen. Das gilt insbesondere für die öffentlichen Bauherren, die mit Steuergeldern agieren.

Die Realität sieht in vielen Fällen leider so aus, gerade nach dem Wegfall der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), dass häufig das absolut billigste Angebot gesucht und beauftragt wird, in dem Glauben, dass damit auch die beste Leistung verbunden ist. Im Sinne aller am Bau Beteiligten braucht es einen Sinneswandel.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure in Rheinland-Pfalz fordern, den Preiswettbewerb durch einen Qualitätswettbewerb zu ersetzen. Der bestehende rechtliche Rahmen ermöglicht das schon heute. Der öffentliche Bauherr sollte nicht das billigste Angebot beauftragen, sondern die wirtschaftlichste Planung. Das ist in seinem eigenen Interesse, im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und hat gleichzeitig den positiven Nebeneffekt, dass auf diese Weise Planungsunternehmen in der Fläche in Rheinland-Pfalz mit vielen Arbeitsplätzen vor Ort gesichert werden und gerade die Kommunen qualifizierte Ansprechpartner vor Ort behalten, die mit den besonderen regionalen Gegebenheiten vertraut sind.

 

Verkehrsinfrastruktur

Rheinland-Pfalz braucht eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur und schnelle Anschlüsse zu den Nachbarn im Inland und europäischen Ausland. Wer heute beispielsweise von der Landeshauptstadt Mainz in das bedeutende Finanzzentrum Luxemburg reisen möchte, benötigt auf der Schiene 3,5 Stunden und muss zudem umsteigen. Für die 160 Kilometer lange Reise von Prüm in die Landeshauptstadt muss man mit öffentlichen Verkehrsmitteln heute sechs Stunden einplanen und mehr als vier Mal umsteigen. Diese Beispiele machen deutlich, warum immer noch viele Menschen in Rheinland-Pfalz auf das Auto setzen, es mangelt schlichtweg an geeigneten Alternativen im Flächenland.

Gleichzeitig sind viele Straßen und gerade die Brücken im Land marode. Über viele Jahre und Jahrzehnte ist zu wenig in den Erhalt und die Pflege investiert worden. Das führt dazu, dass es nun viele Baustellen gibt, mehr klimaschädliche Staus und die Menschen sich nicht effizient fortbewegen können wie sie es gerne möchten. Gerade auch für die Wirtschaft ist der Zustand der Verkehrsinfrastruktur vielerorts ein Wachstumshemmnis.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure in Rheinland-Pfalz fordern ein umfassendes Investitionsprogramm in den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Konkret müssen Fahrradschnellwege geplant und gebaut werden, Brücken saniert und mindestens eine zusätzliche Rheinbrücke zwischen Mainz und Koblenz errichtet werden. Rheinland-Pfalz braucht leistungsfähige Schienenverbindungen und ein Konzept zur nachhaltigen Bestandssicherung des größten Flughafens im Bundesland, dem Flughafen Hahn. Straßen müssen in erster Linie saniert werden, aber auch neu- und ausgebaut werden, wo dies sinnvoll ist. Um den Investitionsstau im Verkehrswesen zu beheben, ist es nicht erforderlich, die Planungskapazitäten in den Verwaltungen, z.B. beim LBM, weiter zu erhöhen. Diese Kapazitäten in Verbindung mit hoher fachlicher Qualifikation und bester technischer Ausstattung sind in den freien Ingenieurbüros vorhanden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Planungsverfahren müssen in Zusammenarbeit mit dem Bund vereinfacht und Verfahren drastisch beschleunigt werden.

 

Ausbildung

Ingenieurinnen und Ingenieure sind gefragte Arbeitnehmer. Der technologische Wandel der Gesellschaft führt dazu, dass der Bedarf an Ingenieurwissen immer weiter steigt. Der große Bedarf an Fachkräften darf aber im Umkehrschluss nicht dazu führen, dass die Ausbildungsqualität abgesenkt wird, um so an den Hochschulen und der Universität in Ingenieurfakultäten im Land, mehr, aber dafür nicht ausreichend qualifizierte, Absolventinnen und Absolventen zu produzieren. Ohne solide Kenntnisse in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, kurz MINT, können keine Ingenieurinnen und Ingenieure ausgebildet werden. Das sollte das Ziel der Hochschulen und Universitäten unseres Landes sein.

Die Ingenieurinnen und Ingenieure fordern den Erhalt einer hochwertigen technisch-ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung, bei der in mindestens sechs theoretischen Semestern überwiegend MINT-Inhalte vermittelt werden. Der MINT-Anteil im Studium muss mindestens 70 Prozent betragen, wenn damit im Anschluss die Berufsbezeichnung „Ingenieurin/ Ingenieur“ verbunden sein soll. Tertiäre Schmalspur-Masterstudiengänge, die kein grundständiges Studium voraussetzen, wie an der Hochschule Kaiserslautern/ Technische-Akademie-Südwest, sind einzustellen. Die bisherige Zulassungspraxis muss untersucht werden.

 

Umwelt

In vielen Bereichen unserer technischen und gebauten Umwelt spielen Ingenieurinnen und Ingenieure eine entscheidende Rolle. So sind sie auch bei den technischen Herausforderungen zur Umsetzung der Energie- und Klimaschutzziele des Landes erste Ansprechpartner. Für die Umsetzung der Energiewende sollte neben der Energieeffizienz insbesondere Nachhaltigkeit in Form von klimagerechter Modernisierung von Gebäuden und energieeffizientem Bauen im Fokus der öffentlichen Investitionen stehen. Die Sanierungsrate mit bisher einem Prozent pro Jahr sehen wir als nicht zufriedenstellend. Angesichts des abflauenden Neubaubooms werden kontinuierliche Investitionen in Erhaltung und Sanierung jedoch umso wichtiger.

Für einen möglichst großen Mehrwert durch die Gebäudesanierung sind außerdem Synergien mit weiteren Aspekten und Zielen der Stadt- und Regionalentwicklung erstrebenswert, die bisher nicht ausreichend betrachtet werden: Anpassung an den Klimawandel (Schutz vor Hitze und Überflutung), an den demographischen Wandel (Barrierefreies Bauen) und an eine umweltgerechte Mobilität finden bisher zu wenig Beachtung im Zuge der klimagerechten Sanierung.

Zukünftig werden weitere Aspekte an Bedeutung gewinnen – wie eine ressourcenschonende Bauweise und ein entsprechender Einsatz von Baustoffen oder die Gebäudekühlung im Rahmen der Anpassung an die Folgen des Klimawandels.

In Zeiten der Energiewende ist der Ausbau der Windenergie unumgänglich. Die Nutzung von Windenergie mit Einsatz entsprechender Windkraftanlagen prägt unser Landschaftsbild entscheidend mit. Damit der Eingriff in die Landschaft nicht zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität für die Menschen führt, ist eine sensible Standortwahl für Windenergieanlagen durch eine konzentrierte, übergeordnete Steuerung erforderlich.

Im Bereich der Infrastruktur ist im Zuge des Klimawandels dem Hochwasserschutz besondere Bedeutung zu schenken. Starkniederschläge sind schadlos abzuleiten, um erhebliche volkswirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Des Weiteren sind planerische Maßnahmen zu ergreifen, um die Grundwasserneubildung zu fördern. Ansonsten ist eine sichere flächendeckende Trinkwasserversorgung auf Dauer nicht mehr gewährleistet.

Zurück