Für den Aufbau nach der Flut: Ingenieurkammer organisiert Projekttour durch das Ahrtal

Die Projekttour startete in Dernau mit insgesamt 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter 42 Kammermitglieder.

Auch ein Dreivierteljahr nach der Hochwasserkatastrophe sind die gewaltigen Dimensionen der Zerstörung im Ahrtal noch deutlich sichtbar. Diesen Eindruck konnten sich die 45 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer von der Ingenieurkammer organisierten Projekttour durch das Ahrtal persönlich verschaffen. Bei der gemeinsamen Tour am 28. April ging es vor allem auch darum, untereinander Synergien zu bilden für anstehende Infrastrukturprojekte, die für eine fristgerechte Umsetzung mehr Expertinnen und Experten benötigen. Im Anschluss an die dreistündige Tour begrüßte Landrätin Cornelia Weigand die Ingenieurinnen und Ingenieure im Dernauer Restaurant Culinarium mit den Worten „Ich freue mich, dass Sie da sind, denn Sie sind Teil der Lösung“. Mit Lösung meinte sie den Aufbau des von der Flut zerstörten Tals, der möglichst schnell und unbürokratisch erfolgen soll.

Zuvor ging es für die Gruppe am Donnerstagnachmittag von Dernau mit einem Reisebus über Bad Neuenahr und Ahrweiler sowie über den Nürburgring nach Müsch und schließlich ahrabwärts wieder zurück nach Dernau. Die Führung der Tour übernahm Dipl.-Ing. Thomas Becker vom Büro Becker Ingenieure GmbH aus Grafschaft. Gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk hat er mehr als 20 Behelfsbrücken in den vergangenen neun Monaten errichtet. Anschaulich und lebhaft berichtete der Bauingenieur im Vorbeifahren über die Ereignisse seit der Flutnacht im Juli 2021 und klärte die Teilnehmerinnen und Teilnehmern über das Ausmaß der Schäden sowie den Stand der Wiederaufbauarbeiten im Ahrgebiet auf. Becker lenkte dabei den Fokus seiner Erzählungen immer wieder auf die ungebremste Solidarität, die das Ahrtal in den vergangenen neun Monaten erreichte. Er berichtete von den vielen Momenten der Menschlichkeit, der eindrucksvollen Hilfsbereitschaft vieler Freiwilliger und den schönen Begegnungen zwischen Fremden, die zu Kameraden wurden.

Dr.-Ing. Markus Bombeck von der Ingenieurgesellschaft Dr. Siekmann + Partner mbH aus Thür ist ebenfalls seit der ersten Stunde nach der Flutkatastrophe im Krisenstab zum Aufbau der Abwasserentsorgung an der Mittleren Ahr engagiert. Die beiden Klärwerke der Verbandsgemeinde Altenahr in Altenahr und Mayschoß hat die Flut weggerissen. Als Übergangslösungen sind heute mobile Kläranlagen in Pützfeld und Ahrbrück sowie drei provisorische Kläranlagen des Deutschen Roten Kreuzes in Mayschoss, Altenahr und Hönningen in Betrieb. Entwickler Kurt Saygin erläuterte der Gruppe im Bus die Funktion der Anlagen und gab preis, dass die mobilen Kläranlagen ursprünglich für ferne Krisengebiete in Afrika konzipiert worden seien.

Bei einem Zwischenstopp in Müsch schilderte der Ortsbürgermeister und Maschinenbauingenieur Udo Adriany die aktuelle Situation in seinem Ort. Man möchte in Müsch nicht schlicht wieder aufbauen, wie es war, sondern neue Wege aus der Krise nehmen und damit moderne Möglichkeiten nutzen. Ein neues Hochwasserkonzept, eine eigene klimaneutrale Stromproduktion und die Verlegung von Glasfaser im Dorf seien Projekte, für deren Planung unbedingt mehr Manpower benötigt werde.

Nach über drei eindrucksvollen Stunden im Bus entlang des Ahrtals kehrten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer abends im Restaurant Culinarium in Dernau ein – eines der wenigen ansässigen Gastronomiebetriebe, die nicht von der Flut zerstört wurden. Kammerpräsident Dr.-Ing. Horst Lenz brachte in seinem Grußwort auf den Punkt, was bereits während der Tour immer wieder zum Thema wurde: „Die Menschen im Ahrtal verdienen einen schnellen Wiederaufbau“. Dieser habe weder Zeit für umfassende Leistungsbeschreibungen noch für lange Vertrags- und Honorarverhandlungen, erläuterte der Präsident. Die Gelder müssen im Sinne der Betroffenen schnell fließen und Entscheidungen unbürokratisch getroffen werden. Die Forderung nach „deutlich effizienteren Vergabeverfahren“ stellte auch Jan Deuster, Geschäftsführer der Stadtwerke Andernach, der ebenfalls in der Fluthilfe aktiv ist und die Tour begleitete.

Zustimmung fanden die Herren bei Landrätin Cornelia Weigand, die beim Aufbau den „Spagat zwischen Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit“ schaffen möchte. Der Aufbauplan sehe 2600 öffentliche Infrastrukturprojekte für rund 3,8 Milliarden Euro vor, hinzu kommen über 9000 betroffene Häuser und Unternehmen. Die Landrätin und ehemalige Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr dankte den anwesenden Ingenieurinnen und Ingenieuren für Ihr bisheriges Engagement im flutgebeutelten Gebiet und bat sie gleichzeitig, „unbedingt weiter am Ball zu bleiben. Denn Sie bringen Ideen mit und leisten mit Ihrer Fachexpertise einen wertvollen Beitrag für einen nachhaltigen und zukunftsträchtigen Aufbau.“

 

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Bildergalerie

Die Referenten der Tour, von links: Prof. Dr.-Ing. L. Kirschbauer (HS Koblenz), Kammerpräsident Dr.-Ing H. Lenz, J. Deuster (Stadtwerke Andernach), Dipl.-Ing. T. Becker (Becker Ingenieure), Dr.-Ing. M. Bombeck (Ingenieurgesellschaft Siekmann + Partner).
Viele Straßen sind nach der verheerenden Flut vollkommen zerstört und nicht mehr befahrbar.
Die Flut hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Kammerpräsident Dr.-Ing. Horst Lenz begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Restaurant Culinarium in Dernau. Rechts neben ihm hat Landrätin Cornelia Weigand Platz genommen.
Landrätin Cornelia Weigand im engen Dialog mit dem Kammerpräsidenten und weiteren Teilnehmern.

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