Flutkatastrophe - Vergaberechtliche Änderungen ab 01. Januar 2022

Wegen der verheerenden Flutkatastrophe im Juli 2021 wurden durch Rundschreiben des Wirtschaftsministeriums vom 19. Juli 2021 vergaberechtliche Erleichterungen kommuniziert. Die Vergabestellen des Landes und der Kommunen in der betroffenen Region wurden von der Durchführung förmlicher Vergabeverfahren befreit.

An eine Rückkehr zur Normalität ist nach wie vor nicht zu denken, auch seitens des Ministeriums sieht man nach wie vor den Bedarf von Entlastung bei den vielen nun notwendigen Beschaffungsverfahren. Man ist bestrebt, nun stufenweise wieder zu den Bestimmungen des Haushaltsvergaberechts zurückzukehren. Im Einzelnen gilt folgendes:

Unterhalb der EU-Schwellenwerte

Sachlicher Anwendungsbereich:
Die Bestimmungen gelten für die Beschaffung von Liefer-, Dienst-, und Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Bewältigung der Flutkatastrophe beitragen.

Örtlicher Anwendungsbereich:
Es muss sich um Leistungen handeln, die im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flutkatastrophe in den Landkreisen Ahrweiler, Mayen-Koblenz, Cochem-Zell, Bernkastel-Wittlich, Eifelkreis Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg, Vulkaneifel oder der kreisfreien Stadt Trier stehen.

Bestimmungen ab 01.01.2022:

Es gelten die allgemeinen Grundsätze im Sinne der Nummer 5.2.1 der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“. Diese finden Sie hier.

Die Vergabe im wettbewerbsoffenen Verfahren gemäß der Verwaltungsvorschrift ist möglich. Dies bedeutet:

  • Es sind grundsätzlich wenigstens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, sofern nicht zwingende Gründe (bspw. besondere Dringlichkeit / unverhältnismäßiger Aufwand) dagegensprechen.
  • Bei wiederkehrenden Vergaben soll der Kreis der aufgeforderten Unternehmen wechseln.
  • Keine Beschränkung auf regionale Unternehmen.
  • Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebt erteilt.
  • Vergabeverfahren ist ausreichend zu dokumentieren.

Andere Vergabearten wie bspw. eine öffentliche Ausschreibung sind ebenfalls möglich, es erfolgt lediglich die dargestellte Privilegierung mit der Möglichkeit des oben beschriebenen Verfahrens.

Bestimmungen ab 01.07.022:

Ab 01. Juli 2022 bis 31.12.2022 sind beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb, freihändige Vergaben und Verhandlungsvergaben nach den Vorgaben der zuvor zitierten Verwaltungsvorschrift ohne nähere Begründung zulässig, sofern folgende Wertgrenzen nicht überschritten werden:

  Beschränkte
Ausschreibung
Freihändige Vergabe /
Verhandlungsvergabe
Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO 100.000 Euro
(statt: 80.000 Euro)
100.000 Euro
(statt: 40.000 Euro)

Die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bleiben unberührt.

Einzelne Verfahrensarten:

Beschränkte Ausschreibung (im Oberschwellenbereich auch nicht offenes Verfahren genannt):
Soweit eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb erlaubt ist, kann der Auftraggeber Unternehmen, die ihm als geeignet bekannt sind, direkt ansprechen und zur Abgabe eines Angebots auffordern. Diese Unternehmen müssen sich also nicht erst über einen Teilnahmewettbewerb qualifizieren. Bei einer Beschränkten Ausschreibung müssen grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Zu-dem ist unter den Bewerbern regelmäßig zu wechseln.

Freihändige Vergabe (im Oberschwellenbereich Verhandlungsverfahren genannt):
Im Verhandlungsverfahren wendet sich die Vergabestelle bei Oberschwellenvergaben mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen, um mit ihnen oder einem von ihnen über das /die Angebot(e) zu verhandeln. Kennzeichnend ist, dass der Auftraggeber ohne vorherige EU-weite Bekanntmachung unmittelbar mit einem oder mehreren Unternehmen Verhandlungen aufnimmt.

Im Vergleich zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb entfällt somit der Teilnahmewettbewerb und es wird unmittelbar in die Verhandlungsphase eingetreten.
Unterhalb der Schwellenwerte entspricht die Freihändige Vergabe dem Verhandlungsverfahren. Bei der Freihändigen Vergabe werden Aufträge ohne ein förmliches Verfahren vergeben (so auch § 3 Abs. 3 VOB/A). Der Auftraggeber wendet sich unmittelbar an ein oder mehrere Unternehmen und verhandelt über die Auftragsbedingungen. Es gelten dennoch die Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung.


Oberhalb der EU-Schwellenwerte

Oberhalb der EU-Schwellenwerte gelten nach wie vor die Bestimmungen aus dem Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 17.08.2021.

Demnach können Leistungen in der aktuellen Hochwasserlage sehr schnell und verfahrenseffizient insbesondere über das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb beschafft werden (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV). Hierbei fordert der Auftraggeber mehrere, grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe auf (s.o.).

Zuwendungsmaßnahmen
Die vorgenannten Bestimmungen gelten auch für Zuwendungsempfänger gem. §§ 23, 44 LHO, die Vergaberecht gemäß den zuwendungsrechtlichen Bestimmungen und Festlegungen anzuwenden haben.

Inkrafttreten und Geltungsdauer
Die neuen beschriebenen Bestimmungen treten am 01.01.2022 in Kraft und stellen eine Ergänzung zu der neuen Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftragswesen in Rheinland-Pfalz“ dar.

RA Sebastian Stujke (Syndikusrechtsanwalt)
Justiziar

Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz zur Beschleunigung von Beschaffungen aufgrund der Flutkatastrophe

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