Einführung des Nachprüfungsverfahrens für Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte

In der vorangegangenen Ausgabe wiesen wir bereits auf die neue Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen hin. Nachfolgend erhalten Sie eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte der genannten Verordnung, insbesondere für die Beanstandung bei Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes.

Das Vergaberecht ist gegliedert in einen Bereich oberhalb und einen Bereich unterhalb der unionsrechtlich vorgegebenen Schwellenwerte. Für die Überprüfung von Vergabeverfahren oberhalb der unionsrechtlich vorgegebenen Schwellenwerte können die Vergabekammern angerufen werden (§§ 155ff GWB). Eine vergleichbare Möglichkeit zur Überprüfung von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte gibt es bislang nicht.

Mit der neuen Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen wurde nun die Möglichkeit geschaffen, auch unterhalb der Schwellenwerte eine Nachprüfung von Vergabeverfahren zu verfolgen. Die neue Landesverordnung wurde am 2. März 2021 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet und tritt am 1. Juni 2021 in Kraft.

Anwendungsbereich

Es wird eine Vergabeprüfstelle beim zuständigen Ministerium eingerichtet. Möglich ist die Nachprüfung von Vergabeverfahren, die ab dem 01.06.2021 bezuschlagt werden sollen. Es sollen nur wirtschaftlich bedeutsame öffentliche Aufträge einer möglichen Nachprüfung unterfallen, die die folgenden festgesetzten Prüfungswertgrenzen erreichen oder überschreiten:

  • Für zu vergebende Bauleistungen:
        vom 01.06.2021 bis zum 30.06.2022 100.000 € ohne Umsatzsteuer und
        ab dem 01.07.2022 75.000 € ohne Umsatzsteuer

  • Für zu vergebende Liefer- und Dienstleistungen
        ab dem 01.06.2021 75.000 € ohne Umsatzsteuer
        Bezüglich der Schätzung des Auftragswertes ist § 3 VgV maßgeblich.

Der persönliche Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle haushaltsrechtlich gebundenen Vergabestellen, ferner auch auf kommunale Gebietskörperschaften und ihre juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie § 22 der Gemeindehaushaltsverordnung zu beachten haben.

Nicht erfasst sind Vergaben einer Behörde im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund. Ansonsten bestehende Rechts- und Fachaufsichten bleiben durch die neu geschaffene Nachprüfungsmöglichkeit unberührt.

Nachprüfungsverfahren

Bieter, die für die Durchführung des öffentlichen Auftrags nicht zum Zuge kommen, sind

  • über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll,
  • die wesentlichen Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots
  • und den frühestmöglichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich zu informieren

Ausnahme: Keine Informationspflicht bei besonderer Dringlichkeit oder eingeschränkte Informationspflicht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.

Der Vertrag über den öffentlichen Auftrag darf erst sieben Kalendertage nach Absendung der vorbezeichneten Information an die nicht berücksichtigten Bieter und Bewerber geschlossen werden.

Eingeleitet wird eine Nachprüfung durch eine Beanstandung.

Beanstandungsberechtigt sind nur Bieter und Bewerber.

Bieter und Bewerber können sich im Rahmen einer Nachprüfung durch die Kammern und Verbände der gewerblichen Wirtschaft sowie der freien Berufe vertreten lassen.

Diese Möglichkeit besteht ausdrücklich bei uns als Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz und wird durch uns angeboten. Kommen Sie gerne auf uns zu, wir unterstützen Sie im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens.

Die Beanstandung bedarf der Schriftform und muss innerhalb von sieben Kalendertagen nach der oben genannten Information des öffentlichen Auftraggebers bei diesem eingehen.

Auf die Rügeobliegenheit gem. § 10 Abs. 3 der Verordnung muss geachtet werden. Hierauf soll jedoch auch in der Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen hingewiesen werden.

Der Auftraggeber prüft nun die Abhilfemöglichkeit. Erweist sich die Beanstandung als aus seiner Sicht zutreffend, hat der Auftraggeber eine neue vergaberechtsfehlerfreie Zuschlagsentscheidung zu treffen. Hilft er nicht ab, wird der Bewerber hierüber unterrichtet.

Die Vergabeprüfstelle erhält die Beanstandung und hat zwei Wochen Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Ausnahmsweise kann diese Frist um eine Woche verlängert werden.

Eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle findet nicht statt, vielmehr beschränkt sich die Prüfung auf die vorgebrachten Punkte.

Die Vergabeprüfstelle prüft, ob alle formellen Voraussetzungen eingehalten wurden, insbesondere, ob die angesprochene Rügeobliegenheit beachtet wurde.

Bei ihrer Entscheidung stellt die Vergabeprüfstelle in sachlicher Hinsicht fest, ob der Auftraggeber im Vergabeverfahren Vergabevorschriften verletzt hat und trifft geeignete Maßnahmen, auf welche Weise der Auftraggeber die festgestellten Verstöße zu beseitigen hat.

Der Auftraggeber darf vor einer Entscheidung der Vergabeprüfstelle den Zuschlag nicht erteilen. Die Entscheidung wird dem Auftraggeber und zur Information auch dem beanstandenden Bieter oder Bewerber mitgeteilt.

Gebührenpflicht

Es werden Gebühren erhoben, die sich in einem Rahmen zw. 100 € und 2500 €, ausnahmsweise und begründet auch höher bewegen

Wir unterstützen unsere Mitglieder – auch in finanzieller Hinsicht - bei der Nachprüfung von Verfahren im Unterschwellenbereich. Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Anfrage per Mail an  hvi(at)ing-rlp.de.

INFORMATION:

Sie erreichen die Vergabeprüfstelle unter:

   Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau
   - Vergabeprüfstelle -
   Stiftsstraße 9
   55116 Mainz

   E-Mail: vergabepruefstelle(at)mwvlw.rlp.de
   Telefon: 06131 162546 oder 06131 162179

Muster Vorabinformation nach § 4 der VO

RA Sebastian Stujke

Justiziar

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